Praxisbeispiel

Wie werden zweckgebundene Schenkungen Dritter behandelt?

02.12.2024
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Jana, Alexander und Frédéric sind unterstützte Personen. Sie alle haben von einer Person in ihrem Umfeld eine Schenkung für einen bestimmten Zweck erhalten. Zweckgebundene Leistungen Dritter sind bei der Berechnung des Budgets nicht zu berücksichtigen, sofern sie bestimmte Kriterien erfüllen.

Jana ist 27 Jahre alt. Zu ihrem Geburtstag hat sie von ihrem Götti eine 100-Franken-Note für einen Restaurantbesuch mit ihrem Freund erhalten. Der achtjährige Alexander ist ein Tierliebhaber, weshalb seine Grossmutter beschliesst, ihm einen Reitkurs zu schenken. Frédéric, 40, lebt allein. Als er Sozialhilfe beantragte, hatte er offene Schulden in Höhe von 400 Franken bei einem Mobilfunkanbieter. Eine gut situierte Bekannte beschloss, ihm den Betrag von 400 Franken zwecks Begleichung der Schulden zu schenken.

Frage

Wie geht die Sozialhilfe mit diesen Beispielen für zweckgebundene Schenkungen um?

Grundlagen

Gemäss der SKOS-Richtlinie D.1. werden alle finanziellen Ressourcen bei der Berechnung der finanziellen Leistungen der Sozialhilfe berücksichtigt (Abs. 1). Einnahmen von Minderjährigen sind im Gesamtbudget des Haushalts nur bis zur Höhe des auf diese Personen entfallenden Anteils anzurechnen (Abs. 2). Die finanziellen Ressourcen umfassen alle finanziellen Zuflüsse, die der Person zur Verfügung stehen, einschliesslich freiwilliger Beiträge von Dritten (ZESO 2/20).

Diese Regeln ergeben sich aus dem Subsidiaritätsprinzip (SKOS-Richtlinie A.3. Abs. 2). Jede Person nimmt Verantwortung für sich selbst wahr und trägt nach ihren Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft bei (Art. 6 BV). Jede Person muss daher alles Zumutbare unternehmen, um eine Notlage aus eigener Kraft zu beheben. Insbesondere muss sie ihr Einkommen, ihr Vermögen, freiwillige Spenden und ihre Arbeitskraft mobilisieren und allfällige Rechte auch gegenüber Dritten geltend machen. Im Rahmen ihrer allgemeinen Informations- und Meldepflicht (SKOS-Richtlinie A.4.1. Abs. 5) besteht zudem die Verpflichtung, jede Einkommensquelle anzugeben.

Von einer Anrechnung in der Sozialhilfe können freiwillige Zuwendungen ausnahmsweise ausgenommen werden, sofern die folgenden Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

  1. Die Schenkung ist grundsätzlich zweckgebunden.
  2. Sie ergänzt die Leistungen der Sozialhilfe.
  3. Sie hält sich in relativ bescheidenem Umfang.

Der Zweck der Schenkung muss von der spendenden Person eindeutig definiert werden. Im Zweifelsfall kann von der unterstützten Person ein Nachweis verlangt werden (z. B. schriftlich oder auch durch Erlaubnis für Rückfragen bei der schenkenden Person). Relativ bescheidene Geschenke zu Anlässen wie Geburtstag oder Konfirmation sollen grundsätzlich nicht angerechnet werden, weil der Anlass hier als Zweck der Zuwendung gilt.

Die Leistung der Drittperson ist komplementär zur Sozialhilfe, das heisst, die Person würde auf die Zuwendung verzichten, wenn sie im Sozialhilfebudget angerechnet würde.

Was schliesslich unter Zuwendungen in relativ bescheidenem Umfang zu verstehen ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu bestimmen (VB.2019.00715, E. 2.2).

Antworten

Die 100 Franken von Janas Götti ermöglichen ihr einen Restaurantbesuch, der nicht im Grundbedarf enthalten ist. Der Betrag scheint in seiner Höhe angemessen, und durch die Schenkung wird Janas Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gefördert.

Alexanders Reitunterricht wäre nicht unbedingt von der Sozialhilfe bezahlt worden, fördert jedoch seine Entwicklung und steht so durchaus im Einklang mit den Zielen der Sozialhilfe.

Die Schenkung für Frédéric schliesslich erlaubt ihm, seine Schulden zu tilgen (was über die Sozialhilfe nicht hätte finanziert werden können, vgl. SKOS-Richtlinie C.1., Erläuterungen b) und seine soziale und berufliche Wiedereingliederung weniger belastet anzugehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle drei Beispiele die oben genannten Bedingungen erfüllen, sodass die Beträge nicht in die Berechnung des Sozialhilfebudgets einbezogen werden müssen.

Julien Nicolet
Mitglied Kommission Richtlinien und Praxis

Praxis

In dieser Rubrik werden exemplarische Fragen beantwortet und publiziert, die der SKOS im Rahmen ihrer Beratungsangebote gestellt werden.

Weitere Informationen unter skos.ch → Beratung für Institutionen.