Integration ist unverzichtbar

02.12.2024
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Bald sind es zehn Jahre her, dass eine sehr hohe Zahl von Menschen in kurzer Zeit nach Europa flüchtete und auch in der Schweiz ankam. Nach einer langen Periode mit wenig Asylanträgen war unser Land gefordert. Dies löste einerseits eine grosse Solidaritätswelle und andererseits eine Abwehrhaltung gegenüber diesen Menschen aus, die zum grössten Teil aus Ländern ausserhalb von Europa stammten. Im Juni 2016 stimmten zwei Drittel der Schweizer Stimmbevölkerung für die sogenannte Neustrukturierung des Asylwesens. Es regelt die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen mit schnelleren Verfahren, bei denen die Asylsuchenden ein Recht auf kostenlose Rechtsberatung und Rechtsvertretung erhalten, neu .

Rasch wurde klar, dass es zusätzlich zur Beschleunigung der Verfahren auch mehr Integrationsmassnahmen für all jene braucht, die als Flüchtling anerkannt oder vorläufig aufgenommen wurden. Anfang 2017 lancierte die SKOS in ihrem Positionspapier «Arbeit statt Sozialhilfe» eine gesamtgesellschaftliche Integrationsoffensive, verbunden mit einer raschen Erhöhung der Integrationspauschale des Bundes, einem Ausbau der Sprachförderung und Arbeitsintegration sowie einer aktiven Beteiligung der Wirtschaft.

2019 einigten sich Bund und Kantone auf eine gemeinsame Integrationsagenda, die verbindliche Wirkungsziele und Prozesse definiert: Das möglichst rasche Erlernen der Sprache, das Erkennen von Potenzialen, die gezielte Begleitung und Unterstützung im Rahmen einer durchgehenden Fallführung, die Vorbereitung von Jugendlichen auf eine nachobligatorische Ausbildung, das konsequente Fördern und Fordern bei der Arbeitsintegration und das Sichvertrautmachen mit den Lebensgewohnheiten in der Schweiz – das sind die wichtigen Eckpfeiler dieser Agenda.

Seit fünf Jahren arbeiten nun Fachleute und Behörden aus den Bereichen Integration, Sozialhilfe, Arbeitsmarktbehörden und Bildung von Bund, Kantonen und Gemeinden im Rahmen dieser Agenda zusammen. Nun zeigen sich spürbare Erfolge: Die Erwerbsquote steigt, mehr Jugendliche sind in einer Ausbildung, die Sprachkenntnisse werden besser. Es wird aber auch klar: Integration braucht Zeit, und der Weg in den ersten Arbeitsmarkt ist steinig. «Das Gras wächst nicht schneller, wenn ich daran ziehe», an dieses afrikanische Sprichwort erinnerte ein Kollege der Sozialen Dienste des Kantons Glarus dazu Anfang Jahr in der ZESO.

Aktuell weht ein rauer Wind in der Migrationspolitik durch ganz Europa. Menschen auf der Flucht sollen abgehalten werden, auf unseren Kontinent zu kommen, und wenn sie da sind, sollen sie möglichst restriktive Lebensbedingungen vorfinden, um sie wieder zum Gehen zu bewegen. Integration soll nicht mehr durch Förderung, Begleitung und Unterstützung erfolgen, sondern mit Sanktionen erzwungen werden. Die drastische Kürzung der Bundesmittel, die an die Kantone fliessen, soll nun einen schnellen Eintritt in den Arbeitsmarkt bewirken, so hält es die Expertengruppe Gaillard in ihrem Bericht fest.

Die SKOS ist sehr besorgt über diese mögliche Abkehr vom Weg, den Bund und Kantone mit der Integrationsagenda eingeschlagen haben. Mit ihrem grossen Engagement haben Sozialarbeitende und Integrationsfachleute im ganzen Land dafür gesorgt, dass die Schweiz die Herausforderungen im Vergleich zu anderen Ländern gut meistert. Investitionen in die Integration lohnen sich schon heute und werden sich in Zukunft noch mehr auszahlen. Deshalb: Bleiben wir auf diesem Weg, denn Integration ist unverzichtbar.

Markus Kaufmann
SKOS-Geschäftsführer