«Meiner Meinung nach ganz zentral für die SKOS ist, dass wir die Sozialhilfe immer wieder neu denken, dass wir uns öffnen für neue Ideen und Herangehensweisen.»
Nachgefragt

Zwei Vize-Präsidentinnen für die SKOS

08.06.2023
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Für die Nachfolge von Bundesrätin Baume-Schneider haben sich Geschäftsleitung und Vorstand der SKOS für ein Doppelvizepräsidium entschieden. Für die politische Vertretung stellt sich Mirjam Ballmer zur Verfügung. Sie ist Gemeinderätin der Stadt Freiburg und leitet das städtische Sozialamt. Für die fachliche Vertretung stellt sich Claudia Hänzi als erfahrene Präsidentin der SKOS-Kommission Richtlinien und Praxis und Leiterin des Sozialamtes Bern zur Verfügung. Die Wahl erfolgt an der Mitgliederversammlung vom 9. Juni.

ZESO: Claudia, du bist seit bald zehn Jahren in der SKOS aktiv und den meisten als Rechtsexpertin für die SKOS-Richtlinien und als Geschäftsleitungsmitglied wohlbekannt. Was hat dich bewogen, dich für das Vizepräsidium zur Verfügung zu stellen?

Claudia Hänzi: Ich finde es wichtig, dass die SKOS nach aussen einen politischen Auftritt hat und Haltung einnehmen kann. Gleichzeitig halte ich die Rückkopplung ans Fachwissen für zentral, da wir eben auch eine Fachorganisation sind. Da sehe ich als RiP-Präsidentin, Geschäftsleitungsmitglied und Leiterin eines städtischen Sozialamtes meine Rolle. Ich hoffe, dass wir die Position der SKOS als Fachorganisation damit weiter stärken.

Was möchtest du neben deinem Fachwissen im Bereich Sozialhilferecht einbringen?

Die SKOS ist häufig in der Rolle der Reagierenden. Im politischen Diskurs werden viele Halbwahrheiten und wird viel Falsches über die Sozialhilfe verbreitet. Es wird hingegen wenig über die Fakten diskutiert. Und ich finde es wichtig, dass die SKOS einen Beitrag dazu leistet, dass man in der Öffentlichkeit mehr über die Fakten in der Sozialhilfe spricht. Ich hoffe, hier einen Beitrag leisten zu können.

Wie beurteilst du die Rolle der SKOS als Gestalterin der Sozialhilfe in der Schweiz? Wo siehst du Reform- bzw. Handlungsbedarf für die SKOS?

Meiner Meinung nach ganz zentral für die SKOS ist, dass wir die Sozialhilfe immer wieder neu denken, dass wir uns öffnen für neue Ideen und Herangehensweisen. In vielen Ländern Europas wurden in den letzten Jahren Reformen in die Hand genommen. Wir sollten uns den Entwicklungen in der Gesellschaft bewusst und unerschrocken stellen und möglichst vorzeitig reagieren bzw. agieren und uns mit neuen Modellen befassen. Ich wünsche mir sehr, dass wir noch visionärer werden und den Boden für neue Modelle bereiten.

Du hast vor bald drei Jahren vom Kanton Solothurn ins Sozialamt der Stadt Bern gewechselt, was hat sich geändert?

Ich habe sehr gerne für den Kanton Solothurn gearbeitet. Keines der 17 Jahre, die ich dort tätig war, möchte ich missen. Jetzt bin ich viel näher an der Front, bei den Menschen, den Problemen. Das habe ich mir nach den Jahren auf kantonaler Ebene gewünscht und in der Stadt Bern gefunden.


Mirjam, du bist seit 2021 Gemeinderätin in Freiburg und unter anderem für die Sozialhilfe zuständig. Warum hast du dich entschieden, dich für das Amt als Vizepräsidentin die SKOS zur Verfügung zu stellen?

Mirjam Ballmer: Die Anfrage hat mich gefreut. Es bestand der Wunsch, neben der fachlichen Perspektive eine zweite Person für das Vizepräsidium zu haben, die einen engen Bezug zur Sozialhilfe hat und gleichzeitig eine politische Funktion innehat. Das ist für mich eine spannende Kombination. Ich freue mich auf den Austausch mit den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren, der wichtig ist, um die Sozialhilfe weiterzuentwickeln. .

Möchtest du mit der SKOS ein bestimmtes Ziel erreichen?

Ziel ist es, einen Beitrag zum konstruktiven Austausch zwischen der SKOS und der politischen Ebene zu leisten und dadurch die Richtlinien weiter zu stärken. Und wie ausdrücklich gewünscht, möchte ich die Romandie vertreten.

Wie beurteilst du die Rolle der SKOS als Gestalterin der Sozialhilfe?

Die SKOS ist auf schweizerischer Ebene eine wichtige Akteurin der Sozialpolitik und eine grosse Unterstützung für die Kantone und Gemeinden in ihrer täglichen Arbeit. Sie garantiert den Austausch zwischen Theorie und Praxis, wird ständig weiterentwickelt und den Lebensumständen angepasst. Dieser Geist inspiriert mich.

Eigentlich kommst du beruflich aus dem Naturschutz und hast erst vor wenigen Jahren in die Sozialpolitik gewechselt. Was ist der gemeinsame Nenner?

Die Themen scheinen weit auseinander. Das Gemeinsame ist hingegen, dass es um Anliegen geht, die auf dem politischen Parkett nicht das nötige Gehör erhalten. In der Sozialpolitik sind es Menschen, die von Armut betroffen sind. Sie können ihre Bedürfnisse und Schwierigkeiten äussern, brauchen aber ein Sprachrohr. Die Biodiversität braucht Anwält:innen, die ihr eine Stimme verleihen und ihre Interessen vertreten.

Geografisch stammst du aus Basel-Stadt. Du sagst, du seist Heimwehbaslerin und Wahlfreiburgerin. Fühlst du dich als Deutschschweizerin oder als Romande?

Ich fühle mich eigentlich als beides. Basel ist meine Heimatstadt, aber auch in Freiburg fühle ich mich heute zu Hause. Hier lebe ich an der Sprachgrenze, und in der Arbeit und auch im Privaten spielen beide Sprachen eine wichtige Rolle, und ich verfechte diese gelebte Zweisprachigkeit mit grosser Überzeugung. Viele Dinge verbinden die Kulturen der West- und der Deutschschweiz, aber es gibt natürlich auch Unterschiede. Beides ist inzwischen Teil von mir. Freiburg wird oft als Brückenkanton wahrgenommen, und in dieser Rolle sehe ich mich ebenfalls.