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Schwerpunkt Wohnen

Wohnungsnot – Folgen für prekäre Haushalte

03.03.2025
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In den letzten Jahren hat sich die angespannte Lage auf dem Schweizer Wohnungsmarkt weiter verschärft. Besonders betroffen sind Menschen mit geringem Einkommen, sowohl bei der Wohnungssuche als auch bei der Wohnqualität. Da die weitere Entwicklung nicht absehbar ist, wurden vielerorts Initiativen zur Unterstützung und Hilfe für die Betroffenen ergriffen.

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis wie Nahrung, Zugang zu Wasser oder Bildung. Der Zugang dazu ist jedoch nicht immer einfach. In der Schweiz ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt äusserst angespannt. Verschiedene Faktoren üben Druck auf die Mieten und damit auf die Mieter aus. Erstens ist der verfügbare Wohnraum sehr knapp, und die Leerstandsquote sinkt von Jahr zu Jahr. Im Juni 2024 betrug die durchschnittliche Leerwohnungsziffer in der Schweiz 1,08 Prozent. Einzelne Kantone wie Genf (0,46 Prozent) oder Zug (0,39 Prozent) weisen sogar deutlich tiefere Quoten auf. Dabei ist zu beachten, dass ein ausgeglichener Wohnungsmarkt bei rund 1,5 Prozent liegt, die Schweiz also eindeutig unter Wohnungsmangel leidet. Nach der Logik von Angebot und Nachfrage wirkt sich diese Situation direkt auf die Höhe der Mieten und erst recht auf die preisgünstigen Wohnungen aus. Dabei spielt ein gesellschaftliches Element eine wichtige Rolle. Die Individualisierung der Gesellschaft führt zu einem starken Anstieg der Zahl der Haushalte und damit auch der Nachfrage nach Wohnraum.

Verdrängungseffekte

Ein weiterer Faktor, der die Preise unter Druck setzt, ist die Verdichtung in den Schweizer Städten. Diese Entwicklung führt häufig dazu, dass günstiger Wohnraum abgerissen wird, um höher, aber nicht unbedingt günstiger bauen zu können. Im Zuge des ökologischen Wandels werden auch vermehrt energetische Sanierungen durchgeführt. Die Optimierung von Wohnraum erfordert Investitionen, die sich auf das Mietniveau auswirken. Verdichtungsprozesse und energetische Sanierungen haben daher erhebliche Verdrängungseffekte für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zur Folge, die häufig gezwungen sind, in andere Stadtteile und damit weiter weg von den Stadtzentren zu ziehen.

Es gibt weitere strukturelle Faktoren, die diese Situation auf dem Wohnungsmarkt erklären. So sind die Preise für Baumaterialien stark gestiegen, es mangelt an qualifizierten Arbeitskräften im Baugewerbe und an Bauland. Diese Faktoren führen dazu, dass die Bautätigkeit seit 2018 zurückgeht, was sich negativ auf das Angebot auf dem Wohnungsmarkt auswirkt.

Die Folgen

Diese Situation hat schwerwiegende Folgen für Menschen in prekären Situationen, da es immer schwieriger wird, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Dies ist umso besorgniserregender, als das Wohnen für Menschen mit niedrigem Einkommen der grösste Ausgabenposten ist. Mehr als ein Drittel des Budgets der einkommensschwächsten Haushalte (weniger als 4000 Franken brutto pro Monat) muss für die Miete aufgewendet werden. Bei den einkommensstärksten Haushalten beträgt dieser Anteil weniger als zehn Prozent. Es besteht kein Zweifel, dass vor allem Personen, die in prekären Verhältnissen leben, unter steigenden Mieten leiden.

Darüber hinaus lässt häufig die Qualität der verfügbaren preiswerten Wohnungen zu wünschen übrig, z. B. in Bezug auf Lärmbelästigung, Feuchtigkeit oder Verkehrsanbindung. Diese Wohnungen können auch überbelegt sein, und es kann an Licht und Belüftung mangeln. Eine schlechte Wohnsituation hat konkrete negative Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Die Gesundheit der Mieterinnen und Mieter dieser Liegenschaften kann sowohl physisch als auch psychisch beeinträchtigt werden. Eine schlechte Wohnsituation wirkt sich direkt auf die Lebens- und Schlafqualität aus und kann auch zu sozialer Isolation und Stigmatisierung führen. Nicht vergessen darf man, dass es insbesondere Kinder trifft, denn sie finden in diesen Wohnungen in der Regel keine guten Bedingungen vor, um sich auf ihre Hausaufgaben zu konzentrieren und sich auszuruhen. Dies wirkt sich direkt auf die Chancen der Kinder und Jugendlichen aus, in der Schule zu bestehen.

Die Sozialämter müssen Mietobergrenzen festlegen, die von den unterstützten Personen bei der Anmietung von Wohnraum nicht überschritten werden dürfen. In einer Reihe von Fällen empfehlen die SKOS-Richtlinien die Übernahme höherer Mieten. Die Realität kann jedoch ganz anders aussehen. So hat die Studie von Roulin und Hassler gezeigt, dass in einzelnen Sozialdiensten über 40 Prozent der unterstützten Personen einen Teil der Miete aus eigener Tasche bezahlen mussten, weil die Miete über der vom Sozialdienst festgelegten Grenze lag. Das Monitoring der SKOS-Richtlinien weist sogar Zahlen von bis zu 65 Prozent der unterstützten Personen aus, die einen Teil der Miete aus dem Grundbedarf bezahlen müssen. Es liegt somit auf der Hand, dass sich die steigenden Immobilienpreise direkt und negativ auf die Situation der unterstützten Personen auswirken und deren prekäre Lage verschärfen.

Thema Wohnen an der Bieler Tagung

Die SKOS hat beschlossen, dieses Thema in den Mittelpunkt der Bieler Tagung vom 27. März zu stellen und verschiedene Initiativen vorzustellen, mit denen versucht wird, die Auswirkungen der hohen Mieten auf die unterstützten Personen zu mildern. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt und ihre Auswirkungen auf Menschen in prekären Situationen werden erläutert. Eine Studie, die die Mietzinsrichtlinien der Sozialhilfe analysiert, wird ebenso vorgestellt wie auch Faktoren zur Festlegung der Richtlinien (siehe Seite 20).

Es gibt eine Reihe von Initiativen und Projekten, die Menschen in prekären Situationen helfen sollen, eine Unterkunft zu finden. In Biel wird eine Reihe davon vorgestellt: eine Wohnbegleitung in der Region mit der niedrigsten Leerstandsquote der Schweiz, eine Wohnberatung, die versucht, Obdachlosigkeit zu verhindern, bestehenden Wohnraum zu erhalten, den Zugang zum freien Wohnungsmarkt zu ermöglichen und gleichzeitig die Kompetenzen der unterstützten Personen zu stärken, sowie die Freiburger Mietzinsgarantie und das Konzept von Renens zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit und prekären Wohnverhältnissen.

Projekte von Hilfswerken

Auch die privaten Hilfswerke haben mittlerweile Unterstützungsangebote ins Leben gerufen. Im Wallis unterstützt der Verein «Immo-Solidaire» Personen mit geringem Einkommen und/oder Schulden bei der Wohnungssuche (vgl. ZESO 2/24). Zu diesem Zweck bürgt er sowohl für die Mietzinszahlung als auch für die Kaution und schliesst in ihrem Namen den Mietvertrag ab. Darüber hinaus hat der Verein ein Wohnpraxiszertifikat für Mieter entwickelt, mit dem diese ihr Wohnverhalten gegenüber Immobilienmaklern nachweisen können. In Biel hilft der Verein Casanostra Obdachlosen und von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen, indem er Sozialdienste, Immobilienverwaltungen und Partner aus dem Gesundheitsbereich vernetzt. Die Stiftung Domicil setzt sich seit 30 Jahren in Stadt und Kanton Zürich für die soziale Integration einkommensschwacher Menschen durch Integration in den Wohnungsmarkt ein. 

Angesichts der schwierigen Situation auf dem Wohnungsmarkt werden die Herausforderungen für Menschen mit niedrigem Einkommen gross bleiben und Antworten, wie sie mancherorts bereits gefunden und umgesetzt werden, sind in jedem Fall dringend. 

Salomon Bennour
SKOS Wissenschaftlicher Mitarbeiter