Soziale Integration bei der Sozialhilfe Basel-Stadt
Die anfänglichen Pilotprojekte Stadthelfer und i-Job sind heute fester Bestandteil der sozialen Integration in Basel-Stadt. Sie stärken das Selbstwertgefühl und die Gesundheit von älteren Menschen mit geringer Aussicht auf Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Durch die Freiwilligenarbeit gelingt eine bessere Alltagsbewältigung.
Sommerabend in der Basler Innenstadt. Menschen flanieren, plaudern, die Strassencafés und Bars sind gut besucht. Ein Grüppchen wild kostümierter Gestalten zieht auf einmal die Blicke auf sich. Einige haben Besen an den Händen, andere sind über und über mit Petflaschen behangen. Sie tragen Masken mit bekümmerter oder strenger Mimik, während sie herumliegende Gegenstände ins Visier nehmen. Litter Lemons sind am Werk. Mit der Strassentheateraktion sollen die Flanierenden für das Thema Littering sensibilisiert werden. Das Theatergrüppchen besteht zur Hauptsache aus Sozialhilfebeziehenden. Ihr freiwilliger Einsatz gehört zum Basler Programm «Stadthelfer». Es ist ein eher untypischer Einsatz, denn die meisten Stadthelfer sind in gemeinnützigen Einrichtungen im laufenden Betrieb engagiert.
Stadthelfer ist ein Programm der Fachstelle Soziale Integration der Sozialhilfe Basel-Stadt. Es richtet sich an Sozialhilfebeziehende, die in absehbarer Zeit keine Aussicht auf berufliche Integration haben. Sie engagieren sich durch Freiwilligenarbeit in einzelnen oder mehreren Einsätzen im Umfang von vier bis sechs Stunden pro Woche. Über die gesamte Dauer, die nicht selten mehrere Jahre beträgt, werden sie von der Fachstelle Soziale Integration begleitet. An vier Einführungstagen werden neue Interessentinnen und Interessenten in die Freiwilligenarbeit eingeführt. Persönliche Fähigkeiten und Vorlieben werden ausgelotet, mögliche Einsatzbereiche thematisiert und so die Basis für einen gelingenden Einsatz geschaffen.
Gemeinsamkeit fördert Selbstbewusstsein
Gleichzeitig lernen sich die angehenden Stadthelferinnen und Stadthelfer als Gruppe kennen und treffen so Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation. Auch im weiteren Verlauf werden regelmässige Gruppentreffen durchgeführt. Es werden Erfahrungen ausgetauscht, die Beziehungen untereinander gepflegt oder auch eigene Projekte und Anlässe geplant, etwa ein Sommergrill, eine Fachveranstaltung zum Thema AHV, ein Zoobesuch, die Verteilung von überschüssigen Lebensmitteln in Kooperation mit der Stiftung Schweizer Tafel usw. Den Stadthelfern steht hierfür ein eigenes Stadthelferzentrum in einem Lokal im Basler St.-Johann-Quartier zur Verfügung. Die Teilnahme am Programm ist freiwillig, das heisst, sie wird in keinem Fall von der Sozialhilfe zur Auflage gemacht. Es wird eine monatliche Integrationszulage von 100 Franken gewährt.
In circa 30 sozialen Institutionen gibt es Einsatzplätze für bis zu 300 Teilnehmende. Diese gehen von Einkaufs-, Begleit- und Besuchsdiensten für betagte Menschen über Pflege von Naturschutzgebieten und Grünflächen im öffentlichen Raum bis zur Mithilfe an kulturellen Anlässen in Quartierzentren oder zur Unterstützung bei der sprachlichen Integration.
Ziel des Programms ist es, die physische und psychische Gesundheit der Sozialhilfebeziehenden zu fördern und damit auch eine Chronifizierung von Problemlagen zu verhindern. Dies kann nicht zuletzt Folgekosten vermeiden oder verringern.
«Bei den Litter Lemons mache ich etwas Wirksames für die Umwelt, und das tut mir persönlich gut», sagt eine Teilnehmende, und eine andere meint: «Die Gruppe ist wichtig für mich. Ich konnte während der Zeit des Probens auftanken.» «Die Freundschaft, die während der gemeinsamen Zeit entstand, ist sehr wertvoll für mich», ergänzt ein Kollege.
Sinnvolle Tätigkeit und hohe Zufriedenheit
Eine Befragung im Rahmen eines Studienprojekts von Studierenden der FHNW hat die positiven Auswirkungen auf das Befinden der Teilnehmenden belegt.
Das Selbstwert- und Zugehörigkeitsgefühl sei durch die Stadthelfer- und i-Job-Programme gestiegen. Sie seien auf sich selbst und ihre Arbeit stolz, schätzten ihr Selbstvertrauen höher ein und lernten ihre eigenen Grenzen besser kennen, berichtet die Studie. All dies trage zu einer besseren Alltagsbewältigung bei. Mitmachende erläutern, dass sie ihre Tätigkeit als befriedigend und sinnvoll empfinden und sich mehr zutrauen würden. Sehr geschätzt wird das Gefühl, gebraucht zu werden und für die Gesellschaft wertvoll zu sein. Dies steht im Einklang mit dem Wunsch, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Die Tagesstruktur hilft, Routinen aufzubauen, aus dem Haus zu kommen und wieder vermehrt soziale Kontakte zu pflegen. Teilnehmende berichteten ausserdem von einer Verbesserung ihres Gesundheitszustandes, physisch durch die vermehrte Bewegung sowie psychisch durch die Beschäftigung und die Tagesstruktur in einem realen Arbeitskontext.
So sind denn auch die meisten sehr zufrieden mit diesem Angebot. Die durchschnittliche Verweildauer im Programm Stadthelfer liegt bei über vier Jahren. Viele bleiben auch nach der Ablösung von der Sozialhilfe, meist mittels AHV oder IV, ihren Einsatzinstitutionen treu.
Die Fachstelle Soziale Integration findet Institutionen, die Einsatzplätze bereitstellen möchten, und berät diese. Alle Programmplätze werden regelmässig überprüft und müssen die Standards von Benevol Schweiz erfüllen. Die Fachstelle informiert und berät sowohl Sozialarbeitende der Sozialhilfe Basel-Stadt als auch die potenziellen Teilnehmenden.
Stadthelfer gibt es seit über 15 Jahren. Mit Unterstützung der Christoph-Merian-Stiftung wurde 2006 ein Pilotprojekt gestartet, das ab 2010 in die Regelfinanzierung übernommen wurde. Es stellt eine Massnahme zur sozialen Integration im Rahmen des Sozialhilfegesetzes dar.
Erfolgreiches i-Job Modell
Ein weiteres Programm zur sozialen Integration der Sozialhilfe Basel-Stadt ist das i-Job-Modell. Dieses startete 2011 als Pilotprojekt und bietet heute 250 Einsatzplätze in 13 Einsatzbetrieben in gemeinnützigen Organisationen, in der kantonalen Verwaltung und in Sozialfirmen. Die i-Jobs sind Langzeitarbeitsplätze im zweiten Arbeitsmarkt und stehen Sozialhilfebezügerinnen und -bezügern offen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance auf eine Anstellung haben. Die Teilnahme ist ebenfalls freiwillig. Ziel ist eine sinnvolle und langfristige Beschäftigungsmöglichkeit mit geregelter Tagesstruktur und Sozialkontakten. Die Pensen der i-Jobs umfassen immer zwischen 50 und 60 Prozent.
Die Einsatzbetriebe müssen gemeinnützige Institutionen oder Sozialfirmen sein. Diese können die Einsatzkräfte ohne zusätzliche Kosten zur Mithilfe in ihren Projekten einsetzen. Der Lohn wird von der Sozialhilfe refinanziert. Das Lohnmodell sieht vor, dass der Nettolohn 1200 Franken beträgt und damit den Teilnehmenden den maximalen Einkommensfreibetrag von 400 Franken pro Monat ermöglicht. Die ausbezahlten Nettolöhne werden daher im Unterstützungsbudget angerechnet. Die Sozialhilfe vergütet den Einsatzbetrieben ferner eine geringe Administrationspauschale sowie die Lohnnebenkosten.
Die Einsatzbetriebe stellen Arbeitsplätze und Infrastruktur zur Verfügung. Im Falle der Sozialfirmen finanzieren diese ihre Betriebs- und Personalkosten durch Leistungen, die am Markt abgesetzt werden können, welche die lokale Wirtschaft allerdings nicht konkurrenzieren dürfen. Sie bearbeiten daher Aufträge, die unmittelbar gemeinnützig sind, etwa im Recyclingbereich, oder die anderenfalls automatisiert oder ins Ausland vergeben würden.
Wie im Programm Stadthelfer wirkt sich die Teilnahme sehr stabilisierend auf den psychosozialen und gesundheitlichen Zustand der Teilnehmenden aus. In beiden Programmen werden alle Teilnehmenden, die jünger als 55 sind, jährlich einer Wirkungsprüfung unterzogen. Wenn sich die Situation dahingehend verändert hat, dass eine Arbeitsintegration wieder möglich erscheint, erfolgt die Wiederaufnahme der beruflichen Integration durch das Arbeitsintegrationszentrum der Sozialhilfe. Manche finden sogar direkt eine neue Stelle. Auf diese Weise finden jedes Jahr fünf bis zehn Personen ihren Weg zurück in die finanzielle Unabhängigkeit.
Die durchschnittliche Verweildauer liegt auch im i-Job-Programm bei über vier Jahren. Nur wenige beenden den Einsatz nach weniger als einem Jahr. Die Teilnehmenden der Integrationsprogramme sind mehrheitlich über 35 Jahre alt. Jüngere kommen nur in wenigen Ausnahmefällen für die Programme infrage. Von den 2000 Sozialhilfebeziehenden im Kanton Basel-Stadt nehmen 190 Personen der über 35-Jährigen am i-Job-Programm teil, und weitere 50 sind Stadthelfer.
Grosses Interesse gemeinnütziger Organisationen
Freiwillige leisten sehr wichtige und beachtenswerte Beiträge in der Gesellschaft. Die Fachstelle bekommt immer wieder Anfragen von gemeinnützigen Organisationen, die auf die Unterstützung von freiwillig Helfenden angewiesen sind. Um möglichst jeder interessierten Person einen passenden Einsatz bieten zu können, hat die Fachstelle das Angebot über die Jahre gezielt diversifiziert. Waren die 250 i-Job-Einsatzplätze anfänglich ausschliesslich Werkstattarbeitsplätze in gerade zwei Organisationen, so bieten heute acht gemeinnützige Organisationen und drei Einsatzstellen der kantonalen Verwaltung Einsatzplätze an. Die Nischenarbeitsplätze reichen von manuellen Tätigkeiten über Secondhandverkauf bis hin zu Fahrdiensten.