Aufbereitete Laptops für Bedürftige zur Chancengleichheit in der Digitalisierung
Wichtig ist es, mit der Digitalisierung mitzuhalten. Doch was, wenn das Geld der Familie nicht für einen Laptop reicht? Die Preise der Laptops liegen nicht überall im monatlichen Budget. Dagegen unternimmt der Verein «Wir lernen weiter» etwas.
Pakete stapeln sich hinter der Eingangstür des Pfarrhauses von Merenschwand. Sie sind bereit für den Versand, so Tobias Schär. Der 27-jährige Unternehmensberater und studierte Wirtschaftsinformatiker ist Gründer des Vereins «Wir lernen weiter». Normalerweise werden Verteiltage organisiert, um die Laptops an Bedürftige weiterzugeben, doch nach den Verstärkungen der Corona-Massnahmen wurde auf Postversand umgestellt. Gebrauchte Laptops werden aufgerüstet, neu aufgesetzt und an Bedürftige weitergegeben.
Die Idee ist simpel, dennoch ist der Verein bisher der Einzige, der ein solch unkompliziertes und unbürokratisches Angebot anbietet. Benjamin, ein Freiwilliger des Vereins, führt in den Dachstock des Pfarrhauses. Dieser ist vollgestapelt mit weiteren Paketen, altem Elektroschrott, der nicht mehr wiederverwendet werden kann, und gebrauchten Laptops. Im Mansardenzimmer unter der Laube befindet sich das Wiederherstellungszimmer. Dort werden die gespendeten Geräte an einen Server angeschlossen, um die Datenzerstörung vorzunehmen. Auf diese Massnahme wird grosser Wert gelegt. Anschliessend werden das Betriebssystem Zorin OS und weitere Software auf den Geräten installiert. Funktionen wie Kamera und Mikrofon werden überprüft, bei Bedarf werden Ersatzteile ausgetauscht, und die Wiederherstellung der Laptops ist fertig.
«Es sind Geräte, die einwandfrei funktionieren und den neuen Besitzern Freude bereiten werden», sagt der 27-jährige Tobias Schär. Benjamin erklärt, wie die Technik immer weiter optimiert werde, um gleichzeitig so viele Geräte wie möglich zu bearbeiten. Optimieren und innovieren ist das Credo des Vereins. So gelang es, das Projekt innert kürzester Zeit auf die Beine zu stellen und an Bekanntheit zu gewinnen. Der Raum auf dem Dachboden nebenan ist vollgestellt mit Regalen, auf denen sich Laptops und deren Zubehör stapeln. «Diese sind alle bereit zum Weitergeben», so Tobias Schär.
Die digitale Kluft
Verschenkt werden die Geräte zum Beispiel an Familien, die ihren Kindern keinen eigenen Laptop kaufen können, sodass die Kinder die Hausaufgaben am Handy ihrer Eltern erledigen müssen. Laut Schär ist es von hoher Wichtigkeit, dass die Jungen in der Schweiz den Anschluss an die Digitalisierung nicht verlieren. Denn mit der steigenden Digitalisierung sind mehr Menschen auf Computer angewiesen. Doch nicht alle können sich einen Laptop leisten. Mit seinen restaurierten Laptops ermöglicht es der Verein, den «digital gap» zu verringern, und leistet einen Beitrag für Chancengleichheit. Gerade Sozialhilfebeziehende haben oft keinen Zugang zu den nötigen IT-Geräten, was die Teilnahme an Online-Sprachkursen, Weiterbildungen und Beratungsgesprächen kompliziert bis unmöglich macht. Sie sind die Verlierer der Digitalisierung, so Tobias Schär. Der Umgang mit elektronischen Geräten gehört heute zu Grundkompetenzen, neben Lesen und Schreiben. «Spätestens beim ersten Lockdown sollte bei allen angekommen sein, dass ein Laptop zur Grundausrüstung gehört, und trotzdem besteht Handlungsbedarf», meint Tobias.
Noch immer wenden sich viele Schulkinder, Jugendliche auf Lehrstellensuche oder Menschen mit Migrationshintergrund an ihn, die keinen Zugang zu einem Laptop haben und damit nicht mit der Digitalisierung mithalten können. Durch die Akquisition von über 200 Partnergemeinden und -organisationen, die die Gesuche von Armutsbetroffenen professionell prüfen, gelangen die Laptops dorthin, wo sie gebraucht werden. Die Partnerorganisationen bezahlen 150 Franken als Unkostenbeitrag für jedes ausgelieferte Gerät. Dadurch will Schär den Verein kostenunabhängig machen. Sein Anliegen ist es, aufzuzeigen, dass der Besitz eines Laptops notwendig ist, um Personen zu helfen, die selbst keine Stimme in der Digitalisierung haben.
Chancengleichheit durch Einsparungen
Wenn Tobias erzählt, funkeln seine Augen, er ist überzeugt, dass sein Projekt eine wichtige Lücke füllt, und setzt sich voll dafür ein. Es gehe ihm darum, dieses Systemproblem zu bekämpfen. Das Projekt sieht er als «Service public», der von der öffentlichen Hand getragen werden darf. Sein Antrieb ist nicht nur eine soziale Motivation: Der Gründer hat eine ökonomische Denkweise. Es geht ihm um die nachhaltige Eingliederung von Armutsbetroffenen in den Arbeitsmarkt. Dafür seien Zugang und Mitgestaltung in der digitalen Welt zentral. Durch die schnellere, effizientere und nachhaltigere Integration in den Arbeitsmarkt können die Sozialdienste viel Geld einsparen, so der Gedankengang von Schär. Er appelliert daher an die Wichtigkeit der Partnerschaften mit Gemeinden.
Nun müssen Tobias und Benjamin los, sie dürfen bei einer Schule 270 Geräte abholen, mit denen sie dann Menschen den Zugang zur digitalen Welt ermöglichen, um somit ihrer Mission, der digitalen Chancengleichheit, etwas näherzukommen.
Wir lernen weiter
Interessierte Gemeinden, Institutionen oder Sozialdienste können sich bei Tobias Schär für eine Partnerschaft melden. Bereits bestehende Partnerschaftsverträge sind in der Karte verlinkt.
Bestimmungen der Sozialhilfe zur IT-Ausrüstung
Im Grundbedarf für den Lebensunterhalt (GBL) ist ein Betrag in der Höhe von rund 20 Franken für «Computer, Büromaschinen und andere Peripheriegeräte» enthalten. Das reicht natürlich nicht für einen Laptop. Es kann vonseiten der Sozialhilfe aber verlangt werden, dass der Betrag über ein paar Monate angespart wird, und die fehlende Differenz kann dann als situationsbedingte Leistung (SIL) übernommen werden. Bei den SIL gibt es dann für die Sozialdienste einen Ermessensspielraum.