Kommentar

Armutsspirale für Familien stoppen

04.03.2024
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Die Familienpolitik ist in der Schweiz so eine Sache. Auf nationaler Ebene besteht sie rechtlich vor allem aus der Mutter- und Vaterschaftsversicherung und den Familienzulagen. Institutionell beschäftigt sich die Eidgenössische (ausserparlamentarische) Kommission für Familienfragen mit dem Thema, und der Bund veröffentlicht alle paar Jahre einen Familienbericht. Alles andere liegt hauptsächlich in der Hand der Kantone und Gemeinden: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bildung, Kindesschutz, frühe Förderung usw.

Vieles in der Familien­politik wird auch heute noch als Privatsache betrachtet. Die Schweiz investiert heute 1,5 Prozent ihres BIP für die Familien. Eine Studie, welche die OECD-Länder miteinander vergleicht, zeigt auf, dass der Durchschnitt bei 2,4 Prozent liegt. Schweizer Familien geben 14 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Kinderbetreuung aus, in den OECD-Ländern sind es im Vergleich 10 Prozent.

In der Schweiz sind Alleinerziehende und kinderreiche Familien besonders häufig von Armut betroffen, und soziale Risiken wie Scheidung oder Krankheit treffen wenig qualifizierte Eltern besonders stark. Dies hat verheerende Folgen: Armut bremst und behindert Kinder in ihrer Entwicklung, Ausbildung und Gesundheit, was wiederum dazu führen kann, dass sie auch als Erwachsene nicht aus der Armutsspirale herausfinden. Dies hat nicht nur individuelle Folgen, sondern ist auch ein ökonomisches Risiko für die gesamte Gesellschaft, denn sie hat Sozial- und Integrationskosten statt qualifizierte Arbeitskräfte zur Folge.

Eine Massnahme, um dieses Risiko zu mindern, sind bedarfsabhängige Ergänzungsleistungen (EL) für Familien. Die Kantone Tessin, Waadt, Genf und Solothurn setzen dies bereits um, im Kanton Freiburg wird zurzeit eine Vorlage dazu behandelt. Bestrebungen, dies auf Bundesebene einzuführen, waren bisher nicht erfolgreich. Ein Vorstoss für ein Rahmengesetz zur Armutsbekämpfung mit Familienergänzungsleistungen lehnte das Parlament vor einigen Jahren ab. Unterdessen sind neue Vorstösse in diese Richtung eingereicht worden.

Eine effiziente Familienpolitik verbunden mit Investitionen in die frühe Förderung hätte auch positive Auswirkungen auf die Arbeitsmarktsituation und die Sozialleistungen. Im Kanton Freiburg zeigt der neue Armutsbericht auf, dass beinahe die Hälfte der Bevölkerung über keinerlei Kapital verfügt. Als Kanton mit der jüngsten Bevölkerung sind davon viele Familien betroffen. Sie sind somit einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Gut konstruierte Ergänzungsleistungen für Familien sind ein erster Schritt, um armutsbetroffenen Familien den Ausstieg aus der Sozialhilfe zu ermöglichen und armutsgefährdete davor zu bewahren. Eine umfassende Frühförderung wäre ein wirksames Mittel für eine grundsätzliche Armutsbekämpfung.

Mirjam Ballmer
Gemeinderätin Stadt Freiburg
Vizepräsidentin SKOS